Denkmalschutz in Frankfurt

Nicht musealisieren, sondern für die nächsten Generationen erhalten

Dr. Andrea Hampel ist Leiterin des Denkmalamts der Stadt Frankfurt. Sie hat in der Mainmetropole Archäologie, Historische Ethnologie und Kunstgeschichte studiert und kam im Jahr 1991 zum Denkmalamt. Ihr Spezialgebiet ist die Bodendenkmalpflege. Als Amtsleiterin ist sie nicht nur für 1.700 Bodendenkmäler, sondern auch für 9.000 Baudenkmäler zuständig. Die Polytechnikerin ist der Metropole am Main eng verbunden. Sie möchte den Menschen vermitteln, welche enormen Kulturschätze Frankfurt beherbergt, nicht nur im Zentrum, sondern auch in den Stadtteilen.

Frau Dr. Hampel, wie sind Sie zum Denkmalschutz gekommen?

Als Archäologin kann ich entweder in Forschungsprojekten oder in der Denkmalpflege arbeiten. Die Denkmalämter führen die meisten archäologischen Ausgrabungen durch. Es gibt solche Stellen nicht wie Sand am Meer. Während meines Studiums in Frankfurt habe ich bereits auf Grabungen mitgearbeitet. Irgendwann kam der Moment, in dem eine Stelle frei wurde, und meine Bewerbung erfolgreich war.

Ihr Spezialgebiet ist die Bodendenkmalpflege. Was begeistert Sie daran?

Man kann nie vorhersehen, was auf einen zukommt. Meine Arbeit hat einen kriminalistischen Zug: Unsere Funde sind wie Indizien, die wir interpretieren, um eine Geschichte zu rekonstruieren. Wir graben nicht, um nachher Objekte in Vitrinen zu stellen, sondern wir wollen vergangene Lebenswelten verstehen. Das ist eine Herausforderung und macht sehr viel Spaß.

Was sind die Aufgaben des Frankfurter Denkmalamts?

Das Denkmalamt ist die Geschäftsstelle der Unteren Denkmalschutzbehörde, eine Funktion, die in Frankfurt der Magistrat selbst ausfüllt. Wir erledigen die operative Arbeit des Denkmalschutzes auf Grundlage des Hessischen Denkmalschutzgesetzes. In der Praxis sind wir, spröde ausgedrückt, eine „Genehmigungsbehörde“. Abgesehen vom Sonderfall der Bodendenkmalpflege führen wir nicht selbst denkmalschützende Bauarbeiten durch. Wir legen auch nicht fest, was ein Denkmal ist. Wir prüfen lediglich, dass Baumaßnahmen an Baudenkmälern den Bestimmungen des Denkmalschutzes entsprechen. Wir sind zuständig für die Genehmigung der Maßnahmen. Das betrifft in Frankfurt etwa 9.000 Bau-, Garten- und Kunstdenkmäler und etwa 1.700 Bodendenkmäler.

Wenn der Eigentümer eines Denkmals bauliche Veränderungen vornehmen möchte, braucht er also Ihre Erlaubnis?

Genau - sofern die Maßnahme generell baugenehmigungspflichtig ist, arbeiten wir im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens, und unsere Stellungnahmen sind Teil der allgemeinen Baugenehmigung. Es gibt auch Maßnahmen, die nach dem hessischen Baurecht keiner behördlichen Genehmigung bedürfen, die aber dennoch dem hessischen Denkmalschutzgesetz entsprechend genehmigt werden müssen. Nehmen wir einen typischen Fall: Ein Hauseigentümer möchte seine Fenster erneuern. Nach dem allgemeinen Baurecht ist hierfür keine Baugenehmigung notwendig. Steht das Gebäude jedoch unter Denkmalschutz, braucht der Bauherr eine denkmalrechtliche Genehmigung. Das ist nicht jedem Eigentümer bewusst.

Wenn der Eigentümer eines denkmalgeschützten Hauses die Fenster neu streicht und dabei unwissentlich gegen denkmalpflegerische Vorgaben verstößt, wie gehen Sie dann mit solchen Situationen um?

Zum einen versuchen wir, durch Aufklärungsarbeit, mit Hilfe von Publikationen, durch Vorträge das Bewusstsein der Eigentümer für den Denkmalschutz zu schärfen. Eigentlich sollten sie wissen, dass sie ein denkmalgeschütztes Objekt besitzen. Manche vergessen das leider im entscheidenden Moment. Wir verstehen uns zwar nicht als Denkmalpolizei, aber wir müssen dem Grundprinzip der Gleichbehandlung Geltung verschaffen. Es geht nicht, dass der eine Hausbesitzer sich an die Regeln hält und der Nachbar nicht. Wenn es etwa um die Farbgebung geht, schauen wir uns den Einzelfall an und dann sorgen wir gegebenenfalls dafür, dass das korrigiert wird. In der Praxis passiert es allerdings selten, dass neu gestrichen werden muss. Wir hatten einmal den Fall, dass die Fassade eines Hauses in einer in gedeckten Farben gehaltenen Gesamtanlage in Pink-Rot gestrichen worden war. Das war schlicht illegal; und dann musste der Hausbesitzer halt umstreichen.

Bei der Bodendenkmalpflege legt das Denkmalamt auch selbst Hand an?

Bei Erdarbeiten kann es schnell zum Totalverlust von Bodendenkmälern kommen, die sich – anders als eine falsch gestrichene Fassade – nicht mehr rekonstruieren lassen. Daher werden Maßnahmen an Bodendenkmälern von Fachleuten begleitet. Dafür stellt die Stadt einen eigenen Grabungsetat zur Verfügung, mit dem insbesondere Planung, Ausführung und Dokumentation von Grabungen finanziert werden. Wenn es bei Bauarbeiten zu einem archäologischen Fund kommt, entstehen für den Bauherrn Kosten durch den zeitlichen Verzug; anders als viele glauben, muss er unsere Arbeit jedoch nicht bezahlen. Da existieren Schreckgespinste, die nicht der Realität entsprechen: Jeder kennt das aus dem Fernsehen, wenn die Bauarbeiten ruhen und die Archäologen mit Pinselchen und kleinen Zahnarztbestecken anrücken. Deswegen führen wir unter anderem auch ein Grabungstagebuch, um genau nachweisen zu können, wie lange wir da waren.

In Frankfurt gibt es 1.700 Bodendenkmäler. Das klingt viel. Was muss man sich denn darunter vorstellen?

Einzelgebäude werden als einzelne Baudenkmäler gezählt. Die archäologischen Denkmäler zählen wir nach Fundstellen, das heißt, die große römische Stadt Nidda im Ortsteil Heddernheim zählt als nur ein Bodendenkmal. Insofern ist die Zahl von 1.700 zu 9.000 Denkmälern stark zu relativieren. Zu den Bodendenkmälern zählen nicht nur antike Hinterlassenschaften, sondern auch Stätten aus dem 20. Jahrhundert, wie etwa das Konzentrationslager in Mörfelden-Walldorf, wo im Wald Fundamente der Lagerbarracken gefunden wurden. Die Unterlagen waren bewusst zerstört worden. Es gab praktisch keine andere Möglichkeit als die Mittel der Archäologie, um Erkenntnisse über diesen Ort zu gewinnen.

Führt die Ausgrabung nicht in gewisser Weise zur Zerstörung des Denkmals?

Es ist der Auftrag der Denkmalpflege, Denkmäler unverändert zu erhalten. Doch das Gesetz sieht ausdrücklich einen Prozess der Abwägung vor, zwischen dem Anliegen der Erhaltung einerseits und den berechtigten Interessen des Eigentümers andererseits. Der Abwägungsprozess führt in der Regel dazu, dass einer geplanten Baumaßnahme unter Auflagen zugestimmt wird. Hierzu kann eine „dokumentarische Sicherung“ gehören, also eine methodisch korrekt durchgeführte und dokumentierte archäologische Ausgrabung. Eine Ausgrabung verändert den Charakter des Denkmals und reduziert es auf Fundstücke und auf eine digitale Dokumentation. Am Ort des Bauvorhabens bleibt dann nichts zurück. In der Tat kommen die Fundstücke abschließend – entsprechend einer Vereinbarung mit dem Land Hessen – ins Archäologische Museum.

In Frankfurt wurden einige Bodendenkmäler erhalten, wie etwa im Museum Judengasse oder zwischen Dom und Römerberg. Was halten Sie von solchen Lösungen?

Es sind gute Kompromisse. Klar ist aber auch, dass Abbau und Wiederaufbau von Gemäuern nicht im Sinne der Denkmalpflege ist, die möglichst den authentischen Zustand erhalten will. Die begehbare Präsentation der Häuser im Museum Judengasse ist beeindruckend und didaktisch wertvoll. Denkmalpflegerisch sind jedoch Lösungen zu favorisieren, in denen Mauern und andere Befunde im Original erhalten werden können. Die heutige Fassung ist also der bestmögliche Kompromiss zwischen dem Wunsch nach zentral gelegenen, städtischen Ämtern, die für die Bürgerinnen und Bürger gut erreichbar sind, und dem Bedürfnis, an die Judengasse zu erinnern. An anderer Stelle in Frankfurt gibt es durchaus Fälle, wie etwa den Domhügel mit der karolingischen Keimzelle der Stadt, in denen wir auf der unveränderten Erhaltung neuer Befunde bestehen. Das ist jedoch die Ausnahme, denn die Denkmalpflege soll keine Musealisierung des Kulturerbes betreiben. Begriffe wie „Museum“ oder „museal“ kommen im Hessischen Denkmalschutzgesetz nicht vor. Eine museale Präsentation, wie in der Judengasse, gründet sich nicht auf die Denkmalpflege, sondern auf eine kulturpolitischen Entscheidung des Magistrats.

Es gibt aktuell den Fall aus der Römerstadt, wo auf einem größeren Grundstück interessante Überreste der römischen Siedlung Nidda gefunden wurden. Was ist Ihre Sicht auf die Debatte: Sollte die Fundstätte als archäologischer Park erhalten werden?

Da sind wir ganz aktuell noch in der Ausgrabung. Allerdings hat die Idee eines archäologischen Parks absolut nichts mit Denkmalpflege zu tun. Es ist ein viel gehegter Wunsch, durchaus auch von Seiten der Politik. Sicher, auch das Denkmalamt möchte gerne bestimmte Befunde erhalten. Aber das erfordert eine Vereinbarung zwischen der Stadt Frankfurt und dem Bauherrn. Wir können Vorgaben für den Umgang mit den Befunden machen, aber wir haben keine rechtliche Handhabe, um etwa eine museale Präsentation der Funde vorzuschreiben. Aus Sicht des Denkmalschutzes hätte man an dieser Stelle gar nicht ausgraben sollen. Das wäre der beste Schutz gewesen – auch nach internationalen Standards. Aber die Denkmalpflege existiert nicht auf einer Insel. Meine Behörde ist Teil der Stadt, zu der noch andere Behörden gehören, die ebenfalls legitime Anliegen vertreten. Es gibt auch konkurrierende Belange, etwa den Naturschutz, den Wohnungsbau, den Straßenbau. Und da müssen wir abwägen und Einigungen suchen.

Wie wird ein Bauwerk zum Baudenkmal?

Unsere Behörde stellt keine historischen Gebäude unter Schutz. Das macht allein das Landesamt für Denkmalpflege. Es prüft, ob ein Bauwerk einen Denkmalwert hat, formuliert dann eine sogenannte Denkmalausweisung, in der die wertgebenden Elemente erläutert werden. Diese Ausweisung geht an den Eigentümer und dann an uns als Untere Denkmalbehörde, so dass wir eine Grundlage haben für die Prüfung möglicher künftiger Baumaßnahmen an dem Gebäude.

Was ist eigentlich ein Denkmal?

Das Gesetz kennt nur das Kulturdenkmal. Der Begriff deckt sowohl Boden- als auch Baudenkmäler ab. Im Denkmalschutzgesetz gibt es klar formulierte Kriterien: Bei Kulturdenkmalen muss ein künstlerisches, wissenschaftliches, technisches, geschichtliches oder städtebauliches öffentliches Interesse am Erhalt bestehen. Allerdings können diese Kriterien auch an Gesamtanlagen angelegt werden, etwa die Ernst-May-Siedlung. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem äußeren Erscheinungsbild, was im Falle der Gesamtanlage natürlich auch den Umgebungsschutz beinhaltet.

Was heißt "Umgebungsschutz"?

Nehmen wir als Beispiel die Ernst-May-Siedlung mit ihren Wohnhäusern, die sich durch eine einheitliche Gestaltung der Fassaden und Flachdächer auszeichnen. Nun möchte ein Bauherr in unmittelbarer Nachbarschaft der zweigeschossigen Gebäude einen Neubau errichten: fünf Geschosse mit Sprenggiebel. Dagegen würden wir Einspruch erheben mit dem Argument, dass sich das neue Gebäude nicht in die Umgebung einfügt. Doch meistens trifft vor uns schon die Stadtplanung oder die Bauaufsicht eine derartige Entscheidung, weil es ein sogenanntes Einfügungsgebot unabhängig vom Denkmalschutz gibt. Damit soll ein Wildwuchs verhindert werden. Insofern gibt es eine ganze Reihe rechtlicher Vorgaben wie etwa Bebauungspläne oder auch Gestaltungs- und Erhaltungssatzungen, die zwar auch für den Denkmalschutz bedeutsam, aber diesem vorgelagert sind.

Warum ist Denkmalschutz notwendig?

Ich vertrete das Motto: „Ohne Vergangenheit keine Zukunft.“ Ich denke, man kann aus der Vergangenheit tatsächlich lernen. Es ist nicht Ziel des Denkmalschutzes, unsere gebaute Umwelt zu musealisieren. Niemand will eine Art Open-Air-Museum, in dem niemand leben möchte. Denkmalschutz heißt nicht, dass es keine Veränderung geben darf. Nehmen Sie den Domturm, dessen Anfänge in das 14. Jahrhundert zurückreifen, der aber im 19. Jahrhundert erheblich weitergebaut wurde. Welche Eingriffe sind denkmalwürdig, welche nicht? Es geht darum, ein Bauwerk für die Zukunft zu erhalten, indem es lebenswert gemacht wird. Kein Bewohner eines historischen Gebäudes will heute noch über den Hof zur Toilette gehen. Küche und Bad, Strom und Heizung – all diese Errungenschaften finden sich auch in Baudenkmälern. Zugleich gibt es Aspekte eines historischen Bauwerks, die wir möglichst original erhalten wollen, weil sie die Geschichte dieser Stadt und ihrer Entwicklung veranschaulichen, weil sie Zeugnis einer Epoche sind. Insofern ist es unsere Aufgabe, Veränderungsprozesse zu begleiten und darauf zu achten, dass sie die richtige Richtung nehmen.

Hätten in Frankfurt das Technische Rathaus oder das frühere Historische Museum unter Denkmalschutz gestellt werden sollen? Sozusagen als Zeugnisse ihrer historischen Epoche?

Beide Gebäude waren nicht sehr beliebt. Allerdings ist auch richtig, dass gerade das Technische Rathaus einst mit einem Preis ausgezeichnet worden war. Es war ein qualitativ gutes Objekt. Doch stimme ich jedem Kritiker zu, der meint, es habe an der falschen Stelle gestanden. Richtig ist, dass es Repräsentant einer Gedankenwelt war. Wenn wir heute irgendwo in Hessen durch eine kleine Stadt laufen und die für unser Empfinden häufig ganz schrecklichen Einkaufszentren in der Innenstadt sehen, dann müssen wir uns eingestehen, dass diese Gebäude Ausdruck eines bestimmten Zeitgeistes sind, der Ambition nämlich, die moderne Stadt zu verwirklichen. Und so war auch das Technische Rathaus zu verstehen.

Was ist das jüngste Baudenkmal in Frankfurt?

Eines der jüngsten ist die BHF-Bank an der Bockenheimer Landstraße. Das Gebäude ist aufgrund seiner Konstruktion sehr interessant. Wir wenden uns jetzt der Neuen Moderne zu. In der Bürostadt Niederrad gibt es dafür sehr schöne Beispiele. Da gibt es natürlich auch Widerstände und Unverständnis, dass vermeintlich „so schreckliche Architektur“ unter Schutz gestellt werden soll. Aber solches Unverständnis gab es auch einmal bei Bauten des frühen 20. Jahrhunderts oder der 1950er Jahre.

Das Goethehaus ist ein interessantes Denkmal, nicht wirklich ein historisches Gebäude, sondern ein Neubau der 1950er Jahre, der so tut, als sei er ein historisches Gebäude. Inzwischen gibt es in Frankfurt eine ganze Reihe von rekonstruierten Bauwerken, etwa das Thurn-und-Taxis-Palais, die Stadtbibliothek, die Neue Altstadt. Was halten Sie von solchen Projekten?

Da können Sie auch die Ostzeile auf dem Römerberg nennen, ein Neubau aus den 1980er Jahren. Auch sie steht unter Denkmalschutz. Der Grund ist klar: Diese Gebäude sind Ausdruck einer gesellschaftlichen Haltung und eines kulturellen Kontextes. Es geht nicht darum, dass sie so aussehen wie „früher“. Und genau da liegt das Problem in Sachen Denkmalschutz. Es ist eine Gratwanderung: Die Besucher der Altstadt sollten erkennen können, ob ein Gebäude ein Original ist oder eine Kopie. Für uns Denkmalpfleger ist die neue Altstadt nicht unproblematisch, obwohl ihre Kleinteiligkeit viel besser zum Ort passt als früher das massive Technische Rathaus. Doch über den originalgetreuen Nachbau von sieben Gebäude waren wir nicht ganz glücklich. Der Grund ist folgender: Eigentümer von historischen Baudenkmälern könnten versuchen, sich auf solche Rekonstruktionen zu berufen mit dem Argument, dass eine kostspielige Restaurierung nicht notwendig sei, da Abriss und rekonstruierter Neubau doch viel billiger seien. Aber das Original ist einfach etwas Anderes.

Der Europäische Rat hat beschlossen, dass bis 2050 der gesamte Gebäudebestand der EU klimaneutral werden soll. Was bedeutet das für das bauliche Erbe?

Auch die klimagerechte Sanierung gehört zu den Veränderungen historischer Gebäude, die wir begleiten. Wir beraten die Eigentümer bei energetischen Verbesserungen. Da geht es dann um die Dämmung von Kellerdecken und Dachgeschossen oder um Dämmputze. Es gibt viele Möglichkeiten der denkmalgerechten Sanierung, mit denen sich einiges erreichen lässt. Selbst bei Fachwerkhäusern gibt es Verbesserungspotenzial. Ein weiteres Thema sind Solaranlagen: Inzwischen werden Solarziegel entwickelt, die sehr viel unauffälliger sind als die heute noch gängigen Paneele. Es ist aber auch zu bedenken, dass Baudenkmale rein rechnerisch drei Prozent des Gebäudebestandes in Deutschland ausmachen. Da muss man abwägen, ob jede energetische Maßnahme sinnvoll ist. Vieles ist möglich, aber natürlich auch verbunden mit einem gewissen Mehraufwand. Ich gebe aber auch zu, dass eine hundertprozentige Energieeinsparung bei Kulturdenkmalen nicht immer machbar sein wird.

Das Schreckgespenst, das in Styropor verpackte Gründerzeitgebäude, müssen wir also nicht fürchten?

Doch, das haben wir auch. Nicht alle Denkmalbehörden bieten Beratungen an, und nicht alle Eigentümer lassen sich beraten. Es gibt Probleme, etwa bei der Frage der Innendämmung von Fachwerkhäusern. Mit Dämmungen gehen erhebliche bauphysikalische Veränderungen einher, die nicht zu unterschätzen sind. Schlimm sind die Klebstoffe, die die Fassade komplett versiegeln. Wenn es dann keine regelmäßige Entlüftung gibt, kann das zu schwerem Schimmelbefall führen. Das wollen viele nicht wahrhaben.

Vielleicht ist es auch eine Kostenfrage. Styropor ist wahrscheinlich deutlich billiger als eine fachgerechte Dämmung…

Solange es sich um ein Kulturdenkmal handelt, ist es in jedem Falle billiger, eine Sanierung fachgerecht zu machen, weil die andere Lösung zu einer sofortigen juristischen Auseinandersetzung mit uns führt. Die Eigentümer müssen verstehen, dass die sehr billigen Lösungen oft erhebliche Schäden und dadurch Folgekosten verursachen. Hinzu kommt: Die Styroporplatten brennen ganz hervorragend, wie wir inzwischen auch schon erlebt haben. Mittlerweile gibt es intelligentere Dämmungen, etwa mit Lehm, der dem Gebäude das „Atmen“ erlaubt. Da möchten wir die Eigentümer ermutigen, unsere Informationsangebote anzunehmen.

Ist Ihre Beratung auch für Eigentümer von Gebäuden interessant, die nicht unter Denkmalschutz stehen?

Das Problem ist, dass Dämmmaßnahmen genehmigungsfrei sind, wenn es keine denkmalrechtlichen Auflagen gibt. 97 Prozent der Gebäude in Frankfurt stehen eben nicht unter Denkmalschutz. Da wählen viele die schnelle, preisgünstige Sanierung, ohne die langfristigen Folgen zu bedenken. Doch richtig ist, dass viele Sanierungsansätze der Denkmalpflege für Bestandsgebäude generell brauchbar sind. Wir sprechen beispielsweise auch mit den Kollegen vom Energiereferat oder von der Bauaufsicht über klima- und gebäudegerechte Sanierungsmaßnahmen.

Es gibt auch zivilgesellschaftliche Akteure, die sich des Denkmalschutzes annehmen, etwa die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Und es gibt lokale Bürgerinitiativen. Wie sieht das Zusammenspiel des Denkmalamts mit solchen Akteuren aus?

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt häufig private Initiativen. Viele dieser Projekte finden nicht in Großstädten wie Frankfurt statt. Daher haben wir weniger mit ihr und ähnlichen Stiftungen zu tun. Es gibt hier keine herrenlosen, dem Verfall preisgegebenen Gebäude, für die sich eine Bürgerinitiative einsetzt. Aber es gibt Eigentümer. Und diese sind laut Gesetz verantwortlich und daher unsere Ansprechpartner.

In den 1970er Jahren gab es im Westend eine sehr aktive Bürgerinitiative, die letztlich das Viertel vor dem Abriss gerettet hat.

Ja richtig, da ging es allerdings darum, Gebäude unter Schutz zu stellen, die diesen Schutz noch gar nicht hatten. Das gibt es natürlich auch in Frankfurt: bürgerschaftliches Engagement dafür, Bauwerke unter Denkmalschutz zu stellen. Aber wir sind nicht der Adressat solcher Forderungen, sondern eben das Landesamt für Denkmalpflege.

Spielt ehrenamtliches Engagement in der Denkmalpflege eine Rolle?

Ja, das schon. Wir haben ehrenamtliche Helfer bei der Fundbearbeitung. In unserer Werkstatt, in der wir archäologische Funde reinigen und dokumentieren, helfen uns Ehrenamtliche. Wir sind sehr dankbar für diese Unterstützung. Sie machen eine großartige Arbeit, und das zum Teil schon seit Jahren. Ein anderes Beispiel für ehrenamtliche Beteiligung in der Denkmalpflege ist die Identifizierung historischer Grenzsteine, mit denen früher Gebiete markiert und Entfernungen angegeben wurden. In Frankfurt sind die Grenzsteine zum Teil erfasst, zum Teil nicht. Es gibt Begehungen, bei denen geprüft wird, ob ein Stein noch da ist und in welchem Zustand er sich befindet. Wir reden hier über tausende von Grenzsteinen, daher sind wir immer dankbar, wenn ehrenamtliche Helfer diese Arbeit unterstützen. Auch bei bestimmten Grabungsprojekten ist eine freiwillige Mitarbeit unter Anleitung möglich.

Sie sind Polytechnikerin. Was bedeutet das für Sie?

Ich kann mich mit den Zielen der Polytechnischen identifizieren, mit dem Wirken zum Wohle der Stadt und dem Bildungsauftrag der Stiftung. Aufklärung und Bildung sind auch Teil unseres Auftrags. Mir ist wichtig, der Polytechnischen Gesellschaft und ihren Netzwerken zu vermitteln, dass wir keine Denkmalpolizei sind, sondern eine Genehmigungsbehörde, die auch Beratungen anbietet, die für unsere Stadt von Belang sind. Unser Auftrag ist der Erhalt des Kulturerbes. Dabei geht es jedoch nicht um Musealisierung, sondern um die Gestaltung von Zukunft. Auch in der Zukunft gibt es Vergangenes, es gibt Geschichte und Tradition, die weiterleben und die Zukunft prägen. Und wir tragen mit Rat und Tat dazu bei, dass dies gelingt. Ich würde mir daher wünschen, dass wir unter dieser Perspektive im Rahmen polytechnischer Veranstaltungen über unsere Arbeit berichten können. Bei 9.000 Baudenkmälern in der Stadt ist die Arbeit des Denkmalamts hochrelevant, nicht nur für Eigentümer und potenzielle Investoren von außerhalb, sondern auch für die Menschen in Frankfurt, die oft gar nicht wissen, welche Schätze in anderen Stadtteilen zu finden sind und was wir von ihnen für die Gestaltung unseres künftigen Frankfurts lernen können.

Frau Dr. Hampel, vielen Dank für das Gespräch.